10. Mai 2021

Muttertag für Fortgeschrittene

Neues von der Monday Lisa 

An jedem Montag fängt eine neue Woche an. Die Monday Lisa muss ihren Blog schreiben. Noch zerzaust vom stürmischen Familienleben am Wochenende versucht sie, wieder Tritt in ihrem Berufsalltag zu fassen. Als Working Mum resümiert sie deshalb ihre eigene Work Child Balance, die auch noch mit erwachsenen Kindern im Haus aus den Fugen geraten kann. Denn Mutter bleibt Mutter … und da ist ja auch noch ihr bester Ehemann, der Vater ihrer beiden Kinder, und ihre eigene alte Mutter … alles starke Charaktere, gegen die sie sich mit ihrem Bedürfnis nach Bindung und Autonomie immer wieder behaupten muss. Monday Lisa - Die Real-Satire zur Work Child Balance.


„Uups!, Mama, du bist ja schon aufgestanden!“ 

Total verschlafen schaut der Sohn aus der Wäsche, die aus einem Boxershort und dem verwaschenen Abi-T-Shirt besteht. 

„Eigentlich wollte ich dir doch heute Frühstück machen!“ - sagt der Sohn. 

Die Mutter hört eine Mischung aus Enttäuschung, Erleichterung und Bewunderung in seiner Stimme: „Wie kannst du nur so früh aufstehen!“

Es ist Sonntag. 11 Uhr vormittags. Muttertag. 

Die Mutter ist vor gefühlt vier Stunden schon aufgestanden, um in Ruhe vor dem Frühstück ihr Morgenprogramm durch zu führen: 

  1. ihre Morgen-Gymnastik (Pflicht) gegen morsche Knochen
  2. ihre Morgen-Meditation (Kür) für einen wachen Geist. 

„Ich hole schnell ein paar frische Brötchen!“ - Der Sohn springt in die Hose. 

Der Vater kommt hinzu und springt fast aus der Hose: „Der Bäcker hat längst zu! Mann oh, Mann, wann wirst du mal erwachsen?“

Der Sohn steigt wieder aus der Hose: „O.k. Der Bäcker hat zu. Was hat das bitteschön mit Erwachsen-werden zu tun?“ 

Die Mutter wirft dem Vater einen beschwichtigenden Blick zu. 

Der fängt ihn auf - und stutzt:  „Warum bist du denn schon geschminkt? Was hast du heute am Muttertag vor?

Der Sohn nutzt die Gelegenheit zur Flucht ins Bad. Kurz bevor die Tür - wie immer - krachend ins Schloss fällt, ruft er der Mutter mit einem Charme in der Stimme, der eigentlich nur idealen Schwiegersöhnen zugesprochen wird,  zu: 

„Du hast jetzt einen gut  bei mir: wir holen das Frühstück nach,  sobald  meine große Schwester auch da ist - dann gibt es übrigens auch das Gesch…!“ Seine Worte gehen im Wasserrausch der Dusche unter.

Die Mutter steigt in ihre Pumps. Dem Vater wirft sie einen vielsagenden Blick zu: „So, ich mache das jetzt so, wie die Väter am Vatertag!“

„Du wirst ja wohl nicht in den Schuhen grölend durch den Wald stöckeln und einen Bollerwagen mit einer Kiste Bier hinter dir her ziehen!“  - spottet der Vater. 

„Nee, ich treffe mich jetzt mit meinen Freundinnen im ZOOM!“ 

„Bars und Kneipen sind doch alle geschlossen.“ Der Vater ist irritiert.

„Macht nix, ich hab ja den Zugangscode!“ , entgegnet die Mutter - unbeeindruckt von den weiteren Ausführungen des Vaters zur Pandemie-Verordnung. 

„Dann geh mal - aber auf deine Verantwortung!“ brummelt der Vater und denkt: „Dann hab’ ich hier heute am Sonntag wenigstens meine Ruh’ - ohne das ganze Muttertags-Brimborium.“ 

Zur Mutter gewandt verabschiedet er sich: „So, ich muss jetzt was essen, tschüss.“ 

Der Vater bleibt mit dem Tunnel-Blick in den geöffneten Kühlschrank allein zurück.

Bewaffnet mit ihrem Laptop und einem Picknick-Korb stöckelt die Mutter in ihr Büro und freut sich auf den ein oder anderen Aperol Spritz mit all den anderen „verwaisten“ Müttern“, deren erwachsene Kinder den Muttertag nicht zu Hause zelebrieren wollen oder nicht dürfen, weil dann zu viele Haushalte zusammengeführt würden - in Zeiten von Corona.  

Und in feucht-fröhlicher digitaler Mütter-Runde blicken wir Mütter zurück auf die Zeiten, als unsere Kinder noch klein waren - als sie noch  Bilder malten, Tassen und Blumentöpfchen bunt bepinselten, die letzten Tulpen vom Beet pflückten und uns stolz zum Muttertag überreichten. 

Wir erinnern uns an Geschenke, mal in mühsamer Kleinarbeit selbst gebastelt - mal „last minute“ im Dorfladen am Samstagabend erstanden - oder mit Amazon Prime geliefert.

Skurill wie z.B. der Klostein (WC-Erfrischer), „damit das Klo bei uns genauso gut nach Zitrone riecht, wie bei Tante Helga das Gäste-WC“ oder rührend der Silber-Pokal „für die beste Mutti der Welt“. 

Nun sitze ich am Montag Morgen an meinem Laptop - das Haar noch zerzaust von der Muttertags-Tour durch das  WorldWideWeb mit dem ein oder anderen Aperol Spritz an meiner Seite - milde vor mich hin lächelnd will ich meine Kolumne schreiben: 

„Muttertag ist auch nicht mehr das, was es mal war, besonders in Zeiten der Cholera“, .. nee quatsch, in Zeiten von Corona.  

Da klingelt das Telefon. Festnetz. Das kann nur meine Mutter sein.

„Wo bleibst du denn? Die Tomaten müssen gepflanzt werden!“ - hallt es durch den Hörer. 

„Ja, Mama, ich bin gleich da!“

Erst am späten Nachmittag kehre ich zurück. 

„Jeder Tag ist Muttertag!“ - seufze ich.

Das Haar leicht zerzaust von der Gartenarbeit und milde vor mich hin lächelnd haue ich  - mit Muttererde unter den Fingernägeln - in die Tasten: 

„Muttertag - eine besondere Form der Work Child Balance für Mütter in fortgeschrittenem Alter.“

©Lisa Lax

Herzlichst 
mit einem letzten Spritzer Aperol - hicks - 
wünsche ich allen Müttern von großen und kleinen Kindern einen guten Start in die Woche.

Dr. Lisa Lax

Küken Illustration
© 2020 Dr. Lisa Lax