22. Februar 2021

Work Child Balance damals und heute

Neues von der Monday Lisa 

An jedem Montag fängt eine neue Woche an. Die Monday Lisa muss ihren Blog schreiben. Noch zerzaust vom stürmischen Familienleben am Wochenende versucht sie, wieder Tritt in ihrem Berufsalltag zu fassen. Als Working Mum resümiert sie deshalb ihre eigene Work Child Balance, die auch noch mit erwachsenen Kindern im Haus aus den Fugen geraten kann. Denn Mutter bleibt Mutter … und da ist ja auch noch ihr bester Ehemann, der Vater ihrer beiden Kinder, und ihre eigene alte Mutter … alles starke Charaktere, gegen die sie sich mit ihrem Bedürfnis nach Bindung und Autonomie immer wieder behaupten muss… die Real-Satire zur Work Child Balance.


„Mama, wie war das eigentlich mit deiner Work-Child-Balance?“ -  fragt die Mutter ihre alte Mutter.

„Wörk-Schei-was“? will die Mutter von der Mutter wissen. 

„Work-Child-Balance - das ist das Gleichgewicht zwischen Arbeiten gehen und Kinder haben“ - erklärt die Mutter.

„Das gibts nicht.“ - Die Mutter von der Mutter schüttelt nur den Kopf. 

„Ja, aber Mama - du hast drei Kinder groß gezogen und bist auf zwei Stellen arbeiten gegangen!“

„Ja, meinst du, da hätte ich noch Zeit gehabt für Balance-Firlefanz? -

Wieso willst du das überhaupt wissen?“

„Die braucht Content für ihre Facebook-Gruppe“- ruft der Sohn von der Mutter, also der Enkel von der Mutter von der Mutter. 

„Kind, mit mir musst du schon deutsch reden - Wörg-Balangs, Container oder was -   und ihr mit eurem Fatzebock - ich brauch das alles nicht - ich geh’ in den Garten - da hab’ ich Ausgleich genug.“ 

„Ja, Mama!“, die Mutter nimmt noch mal Anlauf - „genau das meine ich: du hattest drei Töchter zu versorgen, bist auf zwei Stellen arbeiten gegangen und hast noch den Riesengarten bewirtschaftet.“  

„Na und?“ Die Mutter von der Mutter schüttelt den Kopf. „Essen wolltet ihr doch auch was, oder nicht?“

„Ja, aber Mama, wie hast du das alles bloß geschafft?“

„Ja, geschafft hab‘ ich viel, mein Leben lang - ich habe gut vorgesorgt für meine Rente - das muss mir mal erst einmal eine nachmachen!“ Sie schaut ihre Tochter eindringlich an. „Ich konnte nicht jahrelang studieren…!“

„Ach, Mama, warst du nicht in der Regelstudienzeit fertig?“ interessiert sich der Sohn.

„Am Anfang schon… aber das ist jetzt nicht das Thema.“ - weicht die Mutter aus.

„Also ich war immer rechtzeitig fertig mit meiner Arbeit - und wenn ich bis in die Nacht geschafft habe!“ trumpft die Mutter von der Mutter auf. 

„Ja, aber das war doch sicher sehr anstrengend!“- greift die Mutter geduldig den Faden wieder auf. 

„Leicht war‘s nicht - hat auch keiner behauptet.“ Die Mutter von der Mutter schüttelt den Kopf.

Dann huscht ein verschmitztes Lächeln über das erstaunlich faltenarme Gesicht der 89jährigen. „Erst mal musste ich ja euren Vater davon überzeugen, dass ich arbeiten gehen will. 

Was sollen denn die Leute denken - hat er gesagt. 

Was, denn? Du willst arbeiten gehen - hier im Dorf - hat die geliebte Schwägerin gesagt 

Hast du das nötig?  hat die liebe Nachbarin gefragt.“

„Und, Omi - hattest du es denn nötig?“ - fragt der Enkel. 

„Ich wollte mein eigenes Geld verdienen und nicht abhängig sein von meinem Mann!“ entgegnet Omi und kramt beiläufig einen Zehner irgendwo aus den Ritzen ihres Multifunktions-Sessels hervor, steckt es dem Enkel so zu, dass es die Mutter nicht sieht.  

„Kinder und Karriere - das ist alles eine Frage der Organisation.“ - Die Mutter von der Mutter fixiert ihre Tochter mit dem Blick über den Brillenrand.

„Euer Vater musste da mitmachen - ob er wollte oder nicht.“ Dieser Gedanke scheint sie heute noch zu amüsieren.  

„Ich ging von  8 bis 12 und von 16 bis 20 Uhr arbeiten. Er kam um 17 Uhr nach Hause. Es galt, nur die eine Stunde für die Kinderbetreuung zu überbrücken.“

„Wie hast du das gemacht, Omi?  Gab es da schon Ganztagsschulen?“

„Nee, ganz einfach: Ich hab‘ meinen drei Töchtern vertraut, dass sie in dieser Stunde keinen Unfug machen!“  

„Und hat das funktioniert?“ -  will der Enkel wissen. 

„Siehst du doch an mir!“ kontert die Mutter „diese „blaue Stunde“ hat uns nicht geschadet!“

Die Mutter erinnert sich wieder: „Ja, wir freuten uns auf diese Zeit ohne Aufsicht - meine älteste Schwester hat sich verzogen und Bücher verschlungen, und die andere ältere hat das totale Kommando über mich übernommen. 

Einmal sind wir mit der Etagenbett-Leiter immer wieder durchs Fenster geklettert - raus und rein, raus und rein - haben so ganz beiläufig unsere grob- und feinmotorischen Fähigkeiten trainiert. 

Die Nachbarin, die ihre drei Jungen jahrelang im Laufställchen hielt, hat es gesehen und uns bei den Eltern verpetzt.“ 

„Na,und?“ die Mutter von der Mutter lacht noch heute darüber - „da hatten die Kinder wenigstens Spaß. Ist ja nichts passiert.“

Dem Vater war es peinlich und er malte gerne schwarz: „Die kriegen uns noch dran wegen mangelnder Aufsichtspflicht!“ 

Und so sitze ich heute hier - das Haar leicht zerzaust von der Erinnerung an meine „Pippi-Langstrumpf-Stunden“ - milde vor mich hinlächelnd haue ich in die Tasten: 

„Work Child Balance vor 50 Jahren: viel Arbeit, noch mehr Gartenarbeit, 1x pro Tag eine Stunde mangelnde Aufsicht - und eine gute Portion Vertrauen in die Selbsterfahrungskräfte der Kinder - das Haus steht noch - wir haben alles überlebt!“ 

Das Telefon klingelt. Festnetz. Das kann nur meine Mutter sein.

„Und bist du rechtzeitig fertig geworden mit deinem Fatzebock-Werk-Balance- Sch…reiben?“ tönt es durch den Hörer.  „Du wolltest doch für mich einkaufen gehen, ich brauche Klopapier…!“

©Lisa Lax

Herzlichst
in guter Balance für einen humorvollen Start in die neue Woche
Dr. Lisa Lax

Balancierendes Küken
© 2020 Dr. Lisa Lax