15. März 2024

Vorlesegeschichte zu Ostern

Vorlesen verbindet

„Was machst du da?“ Neugierig schaut der kleine Hase Lasse dem Bauern zu. 

Er bindet ein junges Bäumchen an einem Stab fest. „Hast du Angst, dass es dir wegläuft?“ Lasse Langohr ist ein sehr wissbegieriges Hasenkind, das versucht, die Welt um sich herum zu verstehen. Mit seinem Lasso will er viele Dinge einfangen, so auch die Ostereier von Henne Gluck. Aber es kommt ganz anders. 

Eine 5-Minuten-Hasengeschichte zum Vorlesen im Osternest. Überzeuge dich selbst davon, dass Vorlesen verbindet. Teile mit deinem Kind die Gedanken und Gefühle, die euch beim Vorlesen und Zuhören der Geschichte beschäftigen. 


Kann man Ostereier auch einfangen?

„WAS MACHST DU DA?“

Neugierig schaut der kleine Hase Lasse dem Bauern zu. 

Er bindet ein junges Bäumchen an einem Stab fest. 

„Hast du Angst, dass es dir wegläuft?“, fragt Hase Lasse.

„Nein“, antwortet der Bauer, „ein Baum kann nicht weglaufen, er ist fest verwurzelt in der Erde.“

„Warum bindest du ihn dann an?“, will Hase Lasse wissen.  

„Ich binde das junge Stämmchen an, damit es nicht vom Wind verbogen wird und aufrecht wachsen kann“, antwortet der Bauer ungeduldig. „Und Lasse - komm bloß nicht auf dumme Gedanken mit deinem Lasso!“

„Nein!“ - ganz bestimmt nicht! Ich mache mit dem Lasso keine dummen Gedanken“, antwortet Hase Lasse und hoppelt davon. 

Er versteht gar nicht, was ‚dumme Gedanken‘ sind. 

Er trägt doch immer ein Lasso bei sich. Zu Hause hat er eine ganze Sammlung von Bändern, Leinen, Seilen und Stricken, mit denen er so Allerlei anstellt. 

Letzten Sommer hat er mit dem Lasso die Möhren auf dem Feld einfangen. Im dichten Gras versteckte er sich am Rand des Feldes. Von dort aus warf er sein Lasso über die dicksten Möhren, die mitten im Feld standen. Mit einem leisen „Hau-Ruck“ zog er sie aus dem Boden - die Möhren wanderten an seinem Seil wie von Geisterhand quer durch das Feld - direkt zu ihm. Und das Beste war, dass der Bauer ihn dabei nicht erwischte!

Hase Lasse muss heute noch darüber lachen und macht vor Freude einen Luftsprung. Jetzt ist Ostern. Er ist auf dem Weg zum Hühnerhof. Dort soll er bei Henne Gluck Eier holen - hat Mama Langohr gesagt. 

„WAS MACHST DU DA?“ 

Neugierig steckt Hase Lasse seine Nase in den Hühnerstall. 

Henne Gluck sitzt im Nest aus Stroh. Sie hat ihr Gefieder weit ausgebreitet und gluckst vor sich hin: „Gluck, gluck - gluck - gluck gluck - ich brüte meine Eier aus!“- antwortet sie nach einer Weile - „Stör mich nicht dabei!“

„Aber, aber…  ich soll Eier holen für Mama Langohr zum Bemalen - sechs Stück hat sie gesagt.“

„Gluck, gluck - kannst du - gluck- vergessen - gluck gluck.“ 

Die Henne beäugt den kleinen Hasen argwöhnisch:

 „Was willst du denn mit dem Lasso? - Etwa meine sechs Eier einfangen?“ 

Henne Gluck gluckst so laut vor Vergnügen, dass das ganze Nest wackelt. Dann lüftet sie ihr Gefieder und erhebt sich schwerfällig. 

Im Nest liegen sechs weiße Eier, zwei haben einen feinen Riss in der Schale. 

„Oh, du hast sie kaputt gemacht!“ ruft Hase Lasse erstaunt. 

Die Henne gluckst wieder. „Nein!“ -  antwortet sie empört.  

„Schau, es ist soweit - die Küken wollen schlüpfen!“ 

Und tatsächlich: unter der Eierschale des einen Eies erscheint in einem kleinen Loch ein winziges Zähnchen.

Gespannt schaut Hase Lasse. Was passiert da jetzt? 

Das Zähnchen pickt sich von innen nach außen durch die Schale - in einer Reihe hackt es mehrere kleine Löcher nebeneinander - bis die Eierschale in zwei Teile zerbricht. 

Und - schwupp - mit einem „piep piep piep“ kullert das Küken aus dem Ei. 

Hase Lasse beobachtet alles ganz genau. 

Unter dem zarten feuchten Flaum des geschlüpften Kükens pocht sein Herzchen ganz aufgeregt. Es zittert am ganzen Leibe.

Auch Hase Lasses Herz klopft jetzt schneller. 

Er will das Küken streicheln, aber Henne Gluck breitet schützend ihr Gefieder über ihrem Küken-Kind aus. 

„Es braucht jetzt Wärme, viel viel Wärme!“ - gluckst sie.  

Nach und nach schlüpfen auch die anderen fünf Küken und verkriechen sich unter dem warmen Federkleid ihrer Mama.

Henne Gluck gluckst noch einige Male - gluck gluck gluck. 

Unter ihren Federn liegen sie eng zusammen gekuschelt:  sech lei-se piepsende Küken. Dann schläft Henne Gluck in ihrem Nest aus Stroh zufrieden ein.

Hase Lasse spürt, wie ihm ganz warm ums Herz wird. Leise sammelt er die zerbrochenen Eierschalen ein und macht sich auf den Nachhause-Weg zu Mama Langohr.

Unterwegs sieht er ein junges Bäumchen. Es steht ganz allein am Rand des Waldes. Ein leichter Wind weht und bringt die Blätter in seiner Krone ins Zittern. 

„WAS MACHST DU DA?“ 

Neugierig geht Hase Lasse auf das Bäumchen zu. Es steht da und zittert.

„Warum stehst du hier so allein herum, weit ab von den anderen Bäumen?  Du zitterst ja, bist du auch gerade geschlüpft?“ 

Keine Antwort. 

Hase Lasse wundert sich und denkt an das Bäumchen, das der Bauer am Morgen angebunden hat. 

„Laufen Bäume nun doch weg, wenn man sie nicht anbindet?“ 

Das Bäumchen steht immer noch da und zittert.

Da hat Hase Lasse eine gute Idee - so eine, die der Bauer wahrscheinlich wieder ‚dumme Gedanken‘ nennt.

„Ich bringe dich jetzt zu den anderen Bäumen ins Nest! - Dort hast du es schön warm!“ -  ruft Hase Lasse begeistert von sich selbst. 

Er legt sein Lasso um den Stamm des Bäumchens und versucht, es aus der Erde ziehen.  

Hau-Ruck! Hau-Ruck! Hase Lasse zieht und zieht. Er keucht vor Anstrengung. Das junge Bäumchen beugt sich mit Stamm und Krone weit nach vorne, bleibt aber angewurzelt im Boden stecken. Hase Lasse hört nicht auf mit seinem Hau Ruck! Hau Ruck!

“HE, WAS MACHST DU DA?”

 Wutschnaubend kommt der Bauer auf ihn zu gerannt.

„Lass gefälligst das Bäumchen in Ruhe, sonst zieh ich dir die Ohren lang!“ 

„Die sind doch schon lang genug!“ ruft Hase Lasse und nimmt Reißaus. Mit kräftigen Sprüngen durch das hohe Gras durchquert er die Wiese und kommt mit Herzklopfen bei Mama Langohr an. 

ZEIT FÜR’S NEST!“- ruft sie .„Da bist du ja endlich! Es ist schon spät!” 

Eng zusammen gekuschelt liegen Hase Lasse und Mama Langohr zusammen im Nest und wärmen sich gegenseitig.

„Mama, musst du mich auch anbinden, damit ich richtig wachsen kann?“ fragt Hase Lasse.

Mama Langohr lächelt: „Nein, richtig wachsen kannst du nur, wenn ich dich herum hüpfen lasse. Wichtig ist, dass du immer wieder nach Hause findest.“

„Wenn nicht, kannst DU mich ja mit dem Lasso einfangen!“ - Hase Lasse lacht. Mama Langohr schmunzelt. 

„So, jetzt schlaf gut, mein kleines Hasenkind – es ist schon spät.“, sagt sie. 

Aber Hase Lasse hat noch viele Fragen:  „Mama, sag mal, Bäume braucht man doch nicht einfangen - die wollen ja gar nicht herumhüpfen… aber Küken kann man einfangen …und Mama?  Eier kann man doch auch nicht einfangen, oder doch?“ 

Noch bevor Mama Langohr antworten kann,  fallen ihm die Augen zu. 

Eine Weile ist es still im Nest. Die Herzen von Mama Langohr und ihrem Hasen-Kind pochen ruhig im Einklang. 

Da fragt Hase Lasse:  „Mama, wie lange hast du mich eigentlich ausgebrütet, bis ich geschlüpft bin?“ 

ENDE 

Text:  ©Lisa Lax   Illustration: ©Miri Glowinski 


Herzlichst
mit viel Wärme unter den Flügeln
für ein gemütliches Zusammensein im Osternest
Dr. Lisa Lax

P.S.: Und zu Ostern gibt es noch ein digitales Osterei von mir auf die Hasen-Ohren: Mein Hörbuch “Tut mir leid!”, sagte der Hase  - eine Geschichte zum Mitfühlen und vom Mithelfen für Kinder ab 4 Jahren erhältst du hier: Zum Hörbuch (einfach klicken)

© 2020 Dr. Lisa Lax