6. Januar 2021

Vorlesegeschichte zum Dreikönigstag

Vorlesen verzaubert

Ist Weihnachten wirklich schon vorbei? In Spanien beispielsweise warten die Kinder bis zum Dreikönigstag auf die lang ersehnte Bescherung; denn der Brauch, die Geburt Christi mit kostbaren Geschenken zu feiern, geht auf die Legende der Heiligen Drei Könige zurück. Normalerweise machen sich bei uns in diesen Tagen die Sternsinger auf den Weg, aber wegen Corona bleiben 2021 ihre Hausbesuche aus. 

Deshalb präsentiere ich dir heute ein besonderes „Neujährchen“ - ein modernes Märchen, das du dir und deiner Familie vorlesen kannst. Überzeuge dich selbst davon, dass Vorlesen verzaubert: Beim Vorlesen tauchst du gemeinsam mit deinem Kind in eine Welt der Fantasie ein, denn in jedem von euch entstehen eigene Bilder im Kopf. Und auch bei einem Ausflug in die Welt des Märchens seid ihr ganz fest in der Realität miteinander verbunden

Schau mal, was der Kleine König mit seinen drei Freunden „Kasba, Melchor und Baltasa“ auf seinem Weg nach Bethlehem erlebt.


Der Kleine König folgt dem Stern

„Bum … bum … bum bum… bum …bum….“ Der Kleine König langweilt sich. Lustlos schlägt er auf seiner Trommel herum. Weihnachten ist vorbei. Die Spielsachen sind alle ausprobiert. 

Im Schloss gehen alle wieder ihren Geschäften nach. Seine Eltern sieht er nur - mit dem Handy am Ohr - durch die Regierungsräume flitzen. 

„Boah, keiner kümmert sich um mich!“  

Der Kleine König merkt, wie langsam die Wut in ihm hochsteigt. Die Trommelschläge werden härter. BUMM BUMM BUMM … BUMM BUMM BUMM….

Er steht auf und läuft trommelnd durch die langen Gänge des Schlosses - so lange, bis er einen Plan hat: Er wird seinen drei Freunden aus dem Morgenland eine Mail schreiben: 

„Lieber Kasba, Melchor und Baltasa, mir ist so langweilig. Ihr geht doch immer auf Reisen. Könnt ihr mich bitte mitnehmen?“

„Klar!“ - antworten die Drei Könige umgehend - „Folge dem Stern nach Bethlehem - wir werden uns treffen! - Und vergiss nicht, ein kostbares Geschenk mitzunehmen, wir gehen zu einem königlichen Geburtstagsfest.“ 

„Was nehmt ihr denn mit?“, fragt der Kleine König. 

„Wie immer“, antworten die Drei Könige, „Gold - zum Wohlergehen und unsere selbst gemachten Naturheilmittel Weihrauch und Myrre für die Gesundheit des Königs.“ 

„Mmm ... und was soll ich schenken?“ - grübelt der Kleine König.

Er wartet bis zum Abend. Mit der Taschenlampe leuchtet er in den Himmel.
Nichts. Kein Stern zu sehen - eine dicke Wolkendecke hat sich am Firmament ausgebreitet.  Der Kleine König holt sein Teleskop-Fernrohr und richtet es nach oben in die Dunkelheit. Nichts. Kein Stern. 
Das Einzige, was im dunklen Garten hell leuchtet, ist ein Beet voller weißer Christrosen.  

„Blumen!“ -  schießt es ihm durch den Kopf, „das wäre doch auch ein gutes Geschenk!“ 

Er bückt sich, pflückt eine von den Winter-Sonnen-Blumen - und siehe da! Die Wolkendecke am Himmel bricht einen Spalt auf - und ein kleiner Stern leuchtet von oben herab.

„Das ist er, der Stern von Bethlehem!“ ruft der Kleine König aufgeregt und läuft mit der Blume in der Hand aus dem Schlossgarten hinaus auf die Straße. Der Stern leuchtet über ihm - die ganze Nacht marschiert er durch seine Stadt. Auf den Straßen seines Königreichs gelangt er in ein kleines Dorf am Fluss. Der Stern führt ihn ans Ufer.  

Dort liegt ein hell beleuchtetes Schiff - „Juchhuh! Die Drei Könige sind angekommen!“ 

Freudig umarmt er seine Freunde und sie setzen den Weg gemeinsam fort - durch die Gassen des kleinen Dorfes.

Im Morgengrauen erlischt das Licht des Sterns. 

„Und nun?“ - Ratlos schauen sich die Vier Kleinen Könige an.

„Wir wollen nach Bethlehem zum König!“ Ungeduldig stapft der Kleine König mit dem Fuß auf. 

„He, du Stern, leuchte gefälligst!“ ruft er nach oben. 

„Dem Stern sollten wir mal ein Navi schenken!“ - grübelt einer der Drei Könige. 

„Pah, ha ha … das nutzt jetzt auch nix, verdammt!“ Der Kleine König ist wütend. 

„Ich will aber nach Bethlehem reisen, jetzt, sofort!“  Er wirft sich auf den Boden und strampelt mit den Füßen. 

Die Drei Könige packen einen ihre Schätze aus - fächeln ihm den Weihrauch zu, damit er sich beruhigt.“ 

„Hört auf, mich zu beweihräuchern…ich brauche einen klaren Kopf!“, schnaubt der Kleine König. Er steht auf und rückt seine Krone zurecht.

„Wir müssen überlegen, warum uns der Stern ausgerechnet an diesen Ort geführt hat, mitten in dieses Dorf, vor dieses Haus hier - und nicht nach Bethlehem.“

Inzwischen ist es hell geworden. Autos und einige Leute mit Kinderwagen schieben sich durch die enge Gasse, in der die Vier Könige rätselnd herumstehen. 

„Wollt Ihr auch ins Haus Bethlehem?“ fragt eine Frau mit einem Baby auf dem Arm und zeigt auf die Eingangstür der Kinderkrippe. 

Neugierig folgen die Vier Könige der Frau mit dem Baby. 

Marie, die Leiterin der Krippe, kommt ihnen entgegen: 

„Hallo, welch ein hoher Besuch, der Kleine König persönlich und die Drei Könige! Seid herzlich willkommen!“ 

Jo, der Erzieher kommt mit einem Baby in Windeln auf die Vier Könige zu, begrüßt sie freundlich.  „So, fertig, alle Babies gepampert, Fläschchen müssen sie noch bekommen!“ sagt er zu Marie.

„Ja, äh… wir wollten eigentlich nach Bethlehem zum Königskind…und wir haben auch Geschenke…“, stottert der Kleine König und hält Marie seine Blume entgegen. 

„Da seid Ihr bei uns ja goldrichtig - hier ist jedes Kind ein Königskind.“ 

Sie nimmt Jo das Baby ab und streichelt über sein Köpfchen, das mit einem dunklen Haarflaum bedeckt ist. 

"Und wie man an euch Vieren sieht, wird auch dieses Kind bald eine eigene Krone tragen können.“ 

Sie nimmt dem Kleinen König die Christrose aus der Hand und legt ihm den kleinen Menschensohn in den Arm. 

 „Das ist unser Jüngster, Joshua, gerade 9 Wochen alt“, sagt Marie.

„Darf ich ihn füttern?“ - fragt der Kleine König. 

„Gern, ich finde es wunderbar, dass du ihm von deiner kostbaren Zeit ein wenig schenken willst!“ antwortet Marie.

„Ja, und wir… dürfen wir ihm ein Schlaflied singen?“ - „Und ihn ein bisschen schaukeln.“ - Auch die Drei Könige haben ihre Sprache wieder gefunden - 

Sie betrachten das kleine Menschenkind voller Bewunderung.

Der Kleine König hält das neugeborene Kind stolz in seinem Arm, wiegt es ein wenig hin und her, lächelt es an - Baby Joshua schenkt ihm dafür sein bestes Engelslächeln.  

Da wird dem Kleinen König ganz warm ums Herz.

©Lisa Lax

Herzlichst
mit Wind unter den Flügeln
für einen guten Start ins neue Jahr 
Dr. Lisa Lax

Küken König

© 2020 Dr. Lisa Lax