Wie du die Trennung vom Kind zum Bindungsaufbau nutzen kannst
- Erziehung zwischen Tür und Angel -
Kennst du als berufstätige Mutter diese Situation: Du willst dein Kind morgens wie gewohnt in der Kita abgeben, aber es weint, wehrt sich, klammert sich an dich. Das macht dir gehörig Stress – denn du musst zur Arbeit. Noch schlimmer plagt dich dein schlechtes Gewissen, wenn du dein Kind – wie jetzt in Zeiten von Corona-Pandemie und Lockdown – in die Notbetreuung der Kita bringst?
Der Wechsel vom Familien-Nest in Krippe, Kita oder Schule ist grundsätzlich ein Balance-Akt von Festhalten und Loslassen. Jeden Tag will er aufs Neue gemeistert werden – von dir und von deinem Kind. Da gibt es immer wieder Bring-Situationen, in denen wir mit unserem Mama-Latein schnell am Ende sind. Wir überlassen das weinende Kind der Erzieherin und gehen mit einem Kloß im Hals zur Arbeit. Am Nachmittag holen wir unser Kind mit einem schlechten Gewissen wieder ab.
Das muss nicht sein.
So fürchterlich diese Trennungs-Situation zwischen Tür und Angel für dich ist – so groß ist die Chance, hier an der Kita-Pforte - mit deinem weinenden Kind - in eine gesunde Work Child Balance einzutreten.
Bindung geschieht im Augenblick
„In jedem Ende liegt ein neuer Anfang“ philosophierte man schon in den vorhergehenden Jahrhunderten – im Corona-Jahr 2020/21 ist das Schlagwort der Motivations-Psychologie „aus der Krise in die Chance!“ Das scheinen dir vielleicht zu große Worte für diesen kleinen Moment in deinem Arbeits- und Erziehungsalltag?
Ich denke, wir sollten die kleinen Momente, die kritischen Augenblicke nicht einfach ausblenden, sondern gerade auf sie den Fokus richten. Denn als berufstätige Mutter hast du am Tag nur kurze gemeinsame Phasen mit deinem Kind. Und Bindung auf Dauer geschieht im Augenblick – aus der Summe von Augenblicken
Es kommt darauf an, dass du dich auch im Alltag ganz auf das Hier und Jetzt mit deinem Kind fokussierst, um ihm nahe zu sein. Wenn du immer schon an morgen denkst, verpasst du die Chance auf diese kostbaren Augenblicke, die sich auch zwischen Tür und Angel ergeben können.
Gefühle lesen lernen
Mache dir dazu folgendes bewusst: Wir Menschen besitzen die Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen zu lesen. Das hört sich fast so schwierig an wie „Gedanken lesen“ - ist es aber nicht. Was sagt die Erziehungswissenschaft dazu?
„Wenn du mit deinem Erziehungslatein am Ende bist, lerne Gefühle lesen.“
Bei Babies wenden wir ganz intuitiv eine sehr feinfühlige Kommunikation an. Wenn ein Säugling schreit und strampelt, lesen wir aus diesem Verhalten seinen Gefühlszustand ab: Wir re-agieren auf sein Unwohlsein und trösten das Baby, nehmen es an uns, wir stillen seinen Hunger, wir wechseln die Windeln. Wir spiegeln ihm mit unserer Mimik, Gestik und unserer Stimmlage seinen noch rudimentären Gefühlszustand.
Kleinkinder nehmen ihre Gefühle schon differenzierter wahr, sie bringen das in ihrem Verhalten auch noch ganz unvermittelt zum Ausdruck – ganz ohne Rücksicht auf die soziale Situation, in der sie sich befinden. Einem zwei- oder dreijährigen Kind, das morgens an der Kita-Pforte Herz zerreissend weint, fehlen einfach die Worte, um das zu beschreiben, was gerade in ihm vorgeht. Du kannst ihm sehr gut dabei helfen, seine unterschiedlichen Gefühle zu entdecken und zu sortieren, um das Gefühls-Chaos in der Abschiedssituation zu beherrschen.
Feinfühlige Kommunikation
Aus der Entwicklungspsychologie ist bekannt: Kinder brauchen für ihre gesunde emotionale Entwicklung eine klare Kommunikation über Gefühle.
In der Bindungsforschung setzt man inzwischen nicht nur bei Babies auf die Methode der feinfühligen Kommunikation, sondern stärkt Eltern darin, auch bei Kleinkindern und heranwachsenden Kindern mehr auf deren Gefühlswelt einzugehen. Denn es scheint fast so, als ob wir im Laufe Zeit immer mehr von unserer intuitiven Feinfühligkeit verlieren.
Das mag auch darin begründet sein: Je älter Kinder werden, um so mehr Strategien entwickeln sie, ihre Emotionen situationsangemessen zu kontrollieren und zu verbergen. Das Gefühle-Lesen wird also für uns Eltern immer schwieriger. Spätestens in der Pubertät haben wir dann das Gefühl, an unsere Kinder gar nicht mehr „ran zu kommen“!
Im Laufe der Erziehung setzen wir immer mehr unseren Verstand ein, suchen nach der perfekten Erziehungsmethode, nach Prinzipien und Rezepten, nach Argumenten und Strategien – anstatt in Beziehung zu unseren Kindern und d.h. vor allem in VER-BINDUNG mit ihren Gefühlen zu bleiben.
Wie nutze ich die Trennungssituation zum Bindungsaufbau?
Zurück zur emotional schwierigen Phase der Trennungssituation in Krippe und Kita: Schon hier versuchen wir „ganz vernünftig“ mit sehr kleinen Kindern zu reden. Dann sind tröstlich gemeinte Sätze wie diese nicht unüblich: „Komm, mein Kleiner - sei lieb, hör auf zu weinen. Das muss jetzt nicht sein.“ Oder: „Komm, mein Großer, du weißt, wir hatten eine Abmachung. Es wird nicht mehr geweint, wenn Mama zur Arbeit muss!“
Mit diesen Worten sprechen wir unser Kind aber nicht auf der Gefühlsebene an, sondern wir appellieren an seinen Verstand. Es ist eine Aufforderung an unser Kind, doch bitte-bitte als Zahnrädchen in unserem Work Child „System“ gut zu funktionieren, weil zwischen Tür und Angel einfach keine Zeit für Gefühle ist.
Dies kann ein Zweijähriges gar nicht und ein Vierjähriges nur ansatzweise begreifen.Ganz nebenbei kann ein Kind, das solche Worte oft hört, auch „lernen“: „Wenn ich traurig bin, soll ich nicht weinen!“ oder: „Ich soll den Abschied am besten gar nicht merken.“
Wie anders wird sich ein Kind in seinem emotionalen Zustand angenommen fühlen, wenn es hört: „Max, ich sehe, du weinst. Du bist traurig, weil Mama jetzt fortgeht. Komm, wir drücken uns noch mal ganz fest und sagen uns dann tschüss.“
Feinfühlige Kommunikation stärkt emotionale Intelligenz
In der Psychologie spricht man auch vom „Spiegeln“ der Gefühle als ein wichtiges Tool für feinfühlige Kommunikation, die wiederum Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Empathie und sozialem Lernen bildet.
Wie anders wirst du dich als Working Mum auf dem Weg zur Arbeit fühlen, wenn du
- das Gefühl, das hinter dem Weinen deines Kindes steckt, emphatisch und bewusst wahrnehmen willst, statt es in unbewusst in die Schublade deines schlechten Gewissens zu schieben.
- das Gefühl für dein Kind in Worte fasst, anstatt es ihm aus-zu-reden,
- deinem Kind in diesem kurzen Augenblick zeigst, wie es angemessen mit seinem „Abschiedsschmerz“ umgehen kann, anstatt ihn zu leugnen.
- ihm in diesem kurzen Augenblick den Weg weist, wie es seine Gefühle zukünftig handhaben kann.
Im Grunde sind es nur die intuitiven Basics feinfühliger Kommunikation, die wir uns als Eltern im Umgang mit unserem Kind wieder bewusst zu eigen machen sollten, denn damit stärken wir nicht nur die emotionale Intelligenz unseres Kindes, sondern auch unsere eigene.
Damit sich euer Bedürfnis nach Verbundensein und Loslassen in einem gesunden Gleichgewicht entwickelt und du in eine gesunde Work Child Balance kommst, nutze den Augenblick der Trennung, um dich gefühlsmäßig gut mit deinem Kind zu verbinden.
Denn es reichen schon kleine Schritte im Alltag, um die Bindung zu deinem Kind auf ein sicheres Level zu bringen. Welche Schritte du heute schon gehen kannst, erfährst du in meinem Online-Seminar: https://workchildbalance.de/online-seminar/
3 wichtige Impulse für die Trennungs-Situation
In der Trennungs-Situation beeinflusst deine innere Einstellung zu deiner Arbeit die Kommunikation mit deinem Kind. Deshalb:
1. Nimm dir Zeit für die Abschiedssituation, d.h. kalkuliere Zeit für die Gefühle zwischen Tür und Angel ein!
Sei du dir deiner eigenen Gefühle bewusst! Wie geht es dir eigentlich selbst beim Abschied?
- Plagt dich mal wieder dein schlechtes Gewissen oder bist du in Gedanken schon bei deiner Arbeit?
- Freust du dich, dass dein Kind in der Kita gut aufgehoben ist oder machst du dir Sorgen?
- Hast du Angst, dass heute etwas schief läuft?
Fokussiere dich dann erst voll und ganz auf die gegenwärtige Gefühlslage deines Kindes.Was offenbart sich dir jetzt in Mimik und Gestik deines Kindes? Nutze den Augenblick der Trennung, um dich gut mit deinem Kind zu verbinden.
2. Vermittele deinem Kind Sicherheit und Zuverlässigkeit. Kommuniziere klar und feinfühlig an der Kita-Tür.
Gehe dabei die vier Schritte zur feinfühligen Kommunikation.
Schritt 1: Nimm die Gefühle deines Kindes wahr und nimm sie ernst!
Schritt 2: Spiegele die Gefühle deines Kindes und nenne jedes Gefühl beim passenden Namen.
Schritt 3: Bestätige deinem Kind, dass seine Gefühle richtig und der Situation angemessen sind.
Schritt 4: Zeige deinem Kind, wie man mit Gefühlen umgehen kann.
In meinem Online-Seminar kannst du die vier Schritte feinfühliger Kommunikation speziell für die Abschieds-Situation einmal „durchspielen“. Es kostet dich nichts, nur eine gute halbe Stunde Zeit zum Üben.
3. Entwickele ein ganz persönliches Abschieds-Ritual mit deinem Kind
Sag deinem Kind immer den gleichen Satz beim Umarmen und Loslassen, z.B. „Ich hab‘ dich lieb“ oder „Ich hol‘ dich wieder ab“ oder “Ich wünsche dir…“. Wiederhole diesen Satz täglich.
Entwickele mit deinem Kind zusammen eine Verabschiedungs-Geste, die ihr beide mögt! z.B. High Five, Küsschen auf die Stirn oder Küsschen durch die Hand zum Kind pusten, winken, oder was ganz „Verrücktes“, das nur ihr beide kennt. Mit dieser Geste setzt du den „Schlusspunkt“ für die Abschiedssituation. Dein Kind lernt, dass jede Situation ein Anfang und ein Ende hat. Diese Situation ist jetzt zu Ende - es kann sich jetzt etwas Neuem zuwenden - seinem Spiel. Dein Kind erfährt: ein Abschied kann bewältigt werden!
Und auch du setzt für dich den Schlusspunkt und gehst beruhigt zur Arbeit.
Was ich dir als Working Mum wünsche
Gönne dir jeden Tag mindestens einen kostbaren Augenblick für dich und dein Kind – bevor du in deine Arbeitswelt startest. Je mehr du dich darin übst, Gefühle zu lesen, um so tiefer wirst du dich mit deinen Kindern verbinden können.
Im Alltag gelingt es mal gut, mal weniger gut. Schließlich ist ein Mensch - ob jung oder älter - ein „Buch mit sieben Siegeln“. Besonders du als Working Mum solltest dich nicht entmutigen lassen.
Herzlichst
mit Wind unter den Flügeln
für deine Work-Child-Balance
Dr. Lisa Lax