Warum Spielen auch für dich wichtig ist
“Wie beschäftige ich mein Kind?” - Wenn du im Homeoffice arbeitest, kann die Frage auch mal wie ein Hilfeschrei klingen. Mehr denn je geht es darum, das Kind möglichst für eine lange Zeitspanne allein zu beschäftigen. Googelt man diese Frage - erhält man 792.000 Ergebnisse - allen voran die Beiträge mit praktischen Spielideen für Kinder unterschiedlichen Alters.
Vielleicht geht es dir aber auch so: Spielen ist so gar nicht dein Ding und du gehörst eher zu den Müttern, die sich mit Albert Einstein verbunden sehen: Für ihn war Atome spalten ein Kinderspiel - wirklich schwierig war es für ihn, mit einem Kind zu spielen.
Was aber bedeutet das Spiel für dein Kind?
Das Spiel ist die Arbeit des Kindes
Für ein Kind ist das Spiel das wichtigste Feld für eigene Erfahrungen, es ist ein bedeutender Lernort und bietet Raum für seine Entwicklungsprozesse in allen Bereichen. Es ist die „Spielwiese“ für seine motorische, geistige, emotionale und soziale Entwicklung.
Im Spiel kann und soll es sich je nach Alter eine Zeit lang alleine beschäftigen - ja !- aber es braucht genauso die Begleitung im Spiel durch Bezugspersonen, damit es sich gesund entwickeln kann.
Die Art und Weise, wie wir uns dem Kind im Spiel zuwenden - mit welcher Intensität und mit welcher Qualität wir das Spiel unserer Kinder begleiten - das trägt entscheidend zu einer starken Eltern-Kind-Bindung bei. Für berufstätige Eltern wird es daher immer wichtiger, bewusst Qualitiy-Time mit dem Kind zu verbringen und die kurzen Zeitfenster des Beisammenseins am Tag dafür zu nutzen.
Quality-Time mit dem Kind - Spielen gehört dazu!
Mache hier einen kurzen Check:
Welche Qualität hat deine Zuwendung zum Kind beim Spielen?
Zeichen für niedrige Bindungs-Qualität ist es, wenn es dir in der Spielsituation vorrangig darum geht
- das Kind allein zu „beschäftigen“,
- sein Spielen zu beobachten, „nur aufzupassen“, daneben zu stehen,
- Willst du nebenbei noch deine Arbeit erledigen? Multitasking?
In der Quality-Time geht es um dein Dabei-Sein und nicht um Daneben-Sitzen.
Das sind Zeichen für hohe Bindungs-Qualität:
- Du spielst mit eigenem Interesse mit
- du bist selbst mit Begeisterung dabei
- du willst echte Zeugin von seinem Entwicklungswachstum sein.
Was heißt das konkret?
- Bist du wirklich neugierig zu erfahren, was dir dieser kleine Mensch in diesem Moment von sich offenbart, was er schon kann, was er können möchte…
- wenn er versucht, einen Legoturm zu bauen
- wenn er auf seine ganz eigene Weise an das Puzzle herangeht und nicht, wie du, zuerst die Randsteine sucht. Teile seine Freude und Ausdauer über „Versuch und Irrtum“ lernen zu wollen.
- wenn er zum x-ten Mal das Baggerbuch mit dir anschauen will. Was fasziniert ihn daran so? Wie fühlt er sich? - Stolz, dass er den Namen des Baggers kennt, dass er schon weiß, was auf der nächsten Seite kommt. Nimm in diesem Moment seinen Stolz wahr - teile dieses Gefühl mit ihm!
Im Spiel entsteht gegenseitiges Vertrauen
Geht es dir manchmal auch so: Du befürchtest, wichtige Entwicklungsschritte zu verpassen? Eine Mutter erzählte mir, wie unsicher sie sich mit ihrem Sohn auf dem Spielplatz fühlte, weil sie nicht wusste, was sie ihm auf dem Klettergerüst zutrauen kann.
Deshalb sind die Phasen bewusster Zuwendung zum Kind, in denen du ganz bei ihm bist, so wichtig:
- du lernst die Fähigkeiten und Fertigkeiten deines Kindes besser kennen,
- du kannst seinen Aktionsradius besser einschätzen
Aber ganz wichtig: Du teilst seine Erfolge und auch seine Misserfolge
- du lernst die Gefühle deines Kindes besser kennen - und auch deine Reaktion darauf!
- du gewinnst Respekt vor seiner Arbeit und jedem kleinen Entwicklungsschritt; denn in der Quality-Time bist du Zeugin für die Entwicklungsfortschritte deines Kindes
Du lernst in diesen Phasen der qualitativ hohen Zuwendung, deinem Kind zu vertrauen!
Je besser du dein Kind kennst, umso leichter fällt es dir, ihm zu vertrauen, ihm etwas zu zutrauen.
Daher geht es in der Quality-Time nicht um die Frage:
„Wie beschäftige ich mein Kind?“ sondern darum: “Wie beschäftigt mich mein Kind?“
Wie beschäftigt mich mein Kind?
Dein Kind lädt dich ein zum Spiel!
Dein Kind macht es dir leicht: von Geburt an lädt dein Kind dich ein, mit ihm zu spielen.
Achte auf seine Signale: Es betrachtet in der Wiege ausgiebig seine Hände und seine Füße, brabbelt dabei. Intuitiv reagierst du: „Wo ist das Händchen - da ist das Händchen, da ist das Füßchen!“ So unterstützt du seine ersten Selbsterfahrungen.
Später erkennt dein Kind, dass es Gegenstände festhalten und loslassen kann - das gehört zu seinen ersten Erfahrungen, selbst wirksam sein zu können.
Immer wieder lässt es den Ball, das Stoffhäschen, den Schnuller, den Keks, die Tasse ! …herunterfallen. Und du spielst mit. Du hebst auf, gibst zurück, dein Kind lässt den Gegenstand wieder und wieder fallen.
Du spielst mit und erklärst ihm die Regeln des Lebens: Den Ball kannst du werfen, du zeigst ihm: den Keks und das Brot steckst du in den Mund. Und Nein! - die Tasse bitte nicht auf den Boden werfen, sonst geht sie kaputt, das gefällt Mama gar nicht. Aber Mama gefällt es, wenn du den Softball zu ihr wirfst, ja du siehst, sie freut sich.
Ja, ich gebe zu, das ist ein Gedulds-Spiel, in dem du dir manchmal wie ein Sklave vorkommst. Aber nur wenn du hier interaktiv mit-spielst, kann dein Kind seine Erfahrungen machen.
Du bewertest die Aktionen deines Kindes mit deiner Mimik, Gestik und Sprache - bitte immer genau so eindeutig wie mit den Emojis. Mache kein freundliches Gesicht, wenn dein Kind mit einer Tasse wirft. Lass dein Kind immer wieder fühlen, was dir aufrichtig Freude macht und was dein echtes Nein! Nein! und der damit verbundene Blick bedeutet.
Warum ist das wichtig: Dein Kind erhält im gemeinsamen Spiel mit dir grundlegende Voraussetzungen zur sozialen Interaktion - es stellt zwischen drei Punkten eine handelnde Beziehung her: zwischen einem Objekt, sich selbst und einer Bezugsperson. Man spricht vom Triangulieren - der Ursprung für einen gesunden Spracherwerb und wichtige Voraussetzungen für soziales Verhalten.
“Ein Kind hat das Recht auf Spiel”
Janusz Korczak
Später begleitest du dein Kind bei seinen ersten Kletterversuchen, oder auch bei seinen Versuchen, ein Puzzle zusammenzufügen. Hier ist deine Rolle als teilnehmende Beobachterin besonders gefragt. Du beobachtest, wie dein Kind die Dinge angeht, gibst ihm nur Hilfestellung, wenn es darum bittet - bist im Standby-Modus. Das bedeutet konkret: Du schaust interessiert zu, wie dein Kind puzzelt: Unzählige Male wird es nach der Trial and Error Methode vorgehen und immer wieder wahllos ein Puzzleteil nach dem anderen greifen und versuchen einzurasten - bis es zufällig einen passenden Treffer landet. Ein Erfolg, der lautstark bejubelt werden sollte.
Je älter dein Kind wird, desto mehr wirst du dein Kind unbeaufsichtigt spielen lassen. Und es wird um so längere Phasen unbeaufsichtigt spielen können und wollen, wenn du es lässt, - wenn du ihm vertraust - ihm etwas zutraust.
In diesem Sinne wünsche ich dir viel Freude beim Spielen mit deinem Kind.
Herzliche Grüße
Dr. Lisa Lax